Matthias Schopp Montag, 29. April 2024 von Matthias Schopp

Wildes Wetter - Aprilwetter - Überraschungswetter

Farbkontraste und Temperatursprünge sind anspruchsvoll für Kleidung und Kamera

Der April bietet im Südwesten Deutschlands für Wanderfreunde oft eine ganz besondere Herausforderung. Zu dieser Jahreszeit kann man sich grundsätzlich entscheiden, ob man für einen geplanten Wandertag den Spätwinter in den Bergen oder den Frühling in der Rheinebene bevorzugt. Doch vor Überraschungen ist man nicht gefeit.

Meine Vision - Wärmende Sonnenstrahlen und blühende Obstbäume

Es ist Sonntag der 21. April 2024, kurz nach 7 Uhr am Morgen, und ich sitze in der Breisgau-S-Bahn zum Freiburger Hauptbahnhof. Gespannt lausche ich den Durchsagen der Zugbegleiterin. Nahezu alle Anschlusszüge fallen aus. Meiner zum Glück nicht, denn ich muss weiter nach Wasenweiler, wo ich gleich meine Wandergruppe für einen Halbmarathon begrüße. Weil sich zu dieser Jahreszeit der Kaiserstuhl als wahres Blütenparadies präsentiert, haben wir unsere Tour „Frühlingserwachen“ genannt.

Rückblende: Vor genau einer Woche meldeten die Wetterstationen im Südwesten einen Sommertag. Verbreitet stiegen die Werte auf über 25° Celsius an. Mit Freunden radelten wir um den Kybfelsen, saßen am Nachmittag auf der Terrasse am Grill und sahen zu, wie Bayer Leverkusen deutscher Fußballmeister wurde. Insgeheim freute ich mich schon auf die Rundwanderung über die höchsten Kaiserstühler Gipfel am nächsten Sonntag …

Die Gegenwart sieht allerdings anders aus. Ganz anders! Bei Temperaturen wenig über dem Gefrierpunkt geht der Regen allmählich in Schnee über. Als ich Wasenweiler erreiche, ist kein Mensch auf der Straße. Und auch kein Hund. Nachvollziehbar, denn das Wetter ist wirklich gruselig und allenfalls dazu geeignet, einen Fernsehmarathon zu beginnen oder an einem Wanderführer zu schreiben.

Beginn einer anspruchsvollen Tageswanderung in Halbmarathondistanz

Nun sind wir aber hier und wollen eine achtstündige Tour auf Schusters Rappen antreten. Tapfer trudeln nach und nach alle Teilnehmer ein. Das Regenradar verspricht, dass es bald abtrocknen soll, und so brechen wir mit gemischten Gefühlen auf in Richtung Kaiserstuhl. Bewaffnet mit Schirm und Regencape tauchen wir durch eine Hohlgasse in das kleine Vulkangebirge ein. Anschließend folgt eine Passage über die typischen Rebhänge, die hier in Form großer Terrassen bewirtschaftet werden. Das ringsherum graue Ambiente verleitet zum gepflegten Sarkasmus: „Badischer Wein – von der Sonne verwöhnt“, oder wie hieß es seinerzeit in der Werbung? Wir sind eine halbe Stunde unterwegs, und eine Sturmböe zerreißt mir den Regenschirm. Glücklicherweise erreichen wir kurz darauf einen kleinen Unterstand am Fischweiher im Liliental, wo das Gestänge des Schirms seine letzte Ruhestätte in der aufgestellten Mülltonne findet. Mittlerweile ist es leidlich trocken und die Stimmung bei allen richtig gut. Das dürfte auch an der mitgebrachten Schokolade und den urigen Waldpfaden liegen, von denen der Kaiserstuhl so viele zu bieten hat.

Zu Schauen gibt es viel - Mammutbäume, Orchideen ...

Durch das Arboretum des Lilientals führt uns die Route weiter aufwärts zu den Mammutbäumen. Am Wegesrand blühen unzählige Knabenkräuter, die zu den Orchideen zählen. Leider sind keine Botaniker unter uns, sodass wir hin und wieder das digitale Gehirn zur Recherche der Pflanzennamen bemühen, teils mit recht lustigen Ergebnissen. Bei der Adlerhorsthütte genießen wir erstmals ein wenig Aussicht. Etwaige Bedenken ob des miesen Wetters sind mittlerweile komplett verflogen. Alle sind froh, sich nicht haben abschrecken zu lassen. So sind eben die ersten Schritte oft die schwersten. An dieser Stelle ein dickes Kompliment an die gesamte Gruppe, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön, dass ihr so gut harmoniert und alles ohne den Hauch eines Murrens durchgezogen habt!

Hier stellt sich die Frage: Toskana ... oder doch Island?

Auf dem Neunlindenturm werden wir dann mit einem amtlichen Graupelschauer verwöhnt. Wie war das nochmal mit der „Toskana Deutschlands“? Momentan ist das Wetter eher islandtypisch. Alle halbe Stunde mal was neues. Das Regenradar hat gelogen! Oder es war mit den wechselnden Bedingungen schlichtweg überfordert. Umso schöner gestaltet sich dann der Abstieg durch sattgrünen Laubwald nach Oberbergen. Nebel und ein leichter Schneegriesel verleihen der Umgebung einen mystischen Charme. Pünktlich zu den anspruchsvollsten Passagen des Tages reißt die Wolkendecke auf. Beim Aufstieg auf den im Zentrum des Kaiserstuhls gelegenen Badberg können wir schon bald ein umfassendes Panorama zu den Vogesen und zum Schwarzwald genießen. Die hohen Gipfel sind tief verschneit und strahlen mit uns um die Wette. In der Schutzhütte am Schelinger Kreuz belohnen wir uns für den zurückliegenden Kraftakt, denn der Badberg wird über steile und rutschige Pfade gewonnen, die bei diesen Bedingungen alles andere als leicht zu begehen sind. Beim weiteren Aufstieg zur Eichelspitze dreht der Wetterkompass dann wieder auf Dezember. Dicke Flocken fallen lautlos herab als wir auf dem Gipfel ankommen. Daher sparen wir uns den ansonsten sehr lohnenden Ausflug auf den stählernen Aussichtsturm und wandern stattdessen steil in den Vogelsangpass hinunter. Erneut durchbrechen lilafarbene Knabenkräuter das kräftige Grün der Wiesen.

In meinen Gedanken drehe ich für morgen den Spieß um

Ein letzter kurzer Anstieg liegt vor uns, dann schlendern wir durch die Wälder auf dem Gagenhart in Richtung Ziel. Unweigerlich geht mir mein letzter Blogartikel durch den Kopf. Ihr erinnert euch vielleicht daran. Damals habe ich davon berichtet, wie ich im letzten Jahr morgens eine Schneeschuhgruppe auf den Feldberg führte, um nachmittags am Burkheimer Baggersee zu entspannen. Ja, der Frühling ist am Kaiserstuhl wahrhaft herrlich. In diesem Jahr will er mir aber anscheinend eins auswischen. Glücklicherweise kann man hier in der Region in Sachen Outdoorsport immer irgendwo etwas unternehmen.

Und deshalb werde ich in diesem Jahr den Spieß einfach umdrehen und morgen eine Skitour auf den Feldberg machen.

Meine Dankbarkeit über die Vielfalt der Natur ist groß

Aber zunächst gilt es, alle heil ins Ziel zu bringen. Ein gar nicht so abwegiger Wunsch, denn der lehmige Untergrund führt auf den schmalen Pfaden doch immer wieder zum Ausgleiten. Aber auch diese letzte Hürde wird von allen bravourös gemeistert. Um 16 Uhr endet am Bahnhof von Wasenweiler ein bewegter Wandertag, den wohl kaum einer von uns am Morgen in dieser Form für möglich gehalten hätte. Wirkliche Erlebnisse sind eben schwer planbar. Wäre es genauso eindrucksvoll gewesen, wenn wir bei 20° und Sonnenschein gewandert wären? Keine Frage, dass ich mir für unsere anstehenden Touren sonniges Wetter wünsche. Dennoch lehrt mich dieser Tag einmal mehr, wie wichtig es ist, sich nicht zu früh abschrecken zu lassen. Gewiss, bei wirklich schlechten bzw. gefährlichen Verhältnissen ist es unabdingbar, eine Tour zu verschieben. Für heute aber bin ich froh und dankbar, dass wir den Launen des Aprils getrotzt und diesen Wandertag gemeinsam erlebt haben.

Es grüßt Sie herzlichst aus dem Schwarzwald,

Ihr Matthias Schopp


Matthias Schopp ist SCHNEESCHUH Akademie Guide und Wanderbuchautor

Matthias Schopp ist erfolgreicher Autor zahlreichen Wanderführer und hat unter anderem das Buch Wanderführer Kaiserstuhl geschrieben, erhältlich im Rother Verlag. Dort finden Sie 40 tolle Wanderstrecken in Deutschlands zweitkleinstem Mittelgebirge.

Jede Tour ist er persönlich gelaufen und hat sie in den Beschreibungen mit zahlreichen nützlichen Infos und Insidertipps gespickt. Besuchen Sie ihn auch gerne auf seiner Homepage .

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